Intervallfasten klingt wie ein Gesundheitsversprechen mit Uhrwerk:
Nur essen zwischen 12 und 20 Uhr. Davor? Tee. Danach? Luft.

Intervallfasten – Wundermittel oder Mythos?
Was ist Intervallfasten eigentlich?
Intervallfasten – oder intermittierendes Fasten – beschreibt eine Ernährungsmethode, bei der du zwischen Ess- und Fastenphasen wechselst.
Die bekanntesten Varianten:
- 16:8: 16 Stunden Fasten, 8 Stunden essen (z. B. 12–20 Uhr)
- 5:2: 5 Tage normal essen, 2 Tage fasten (mit max. 500–600 kcal)
- OMAD (One Meal a Day): Eine große Mahlzeit pro Tag
Das Versprechen:
Fasten regt die sogenannte Autophagie an, einen zellulären Reinigungsprozess, bei dem beschädigte Zellbestandteile recycelt werden. Das soll Alterungsprozesse verlangsamen, Entzündungen hemmen und den Stoffwechsel verbessern.
Soweit die Theorie. In der Praxis sieht’s oft ganz anders aus, besonders, wenn du kein 25-jähriger Biohacker bist, sondern eine 45-jährige Person mit vollem Alltag, unregelmäßigem Zyklus und dem Wunsch nach echter Gesundheit statt Kontrolle.
Die natürliche Fastenzeit? Nennt sich: Schlaf.
Fasten ist kein neues Konzept, unser Körper kann damit umgehen. Schließlich ist unser Körper noch der “Steinzeit”-Körper: wir waren nomadisch und sind durch die Gegend gewandert. Es gab Zeiten, in denen das Essen einfach knapp war und dann musste die ganze Sippe weiter. Ironischerweise stellt sich dann etwas ein, was die Fasten-Anhänger:innen als “Du fühlst dich dann klar und aufgeweckt und voller Energie!” bezeichnen. Nämlich der Überlebensmodus. Unser Nervensystem registriert, dass wir weniger essen, als wir sollten. Er schüttet Stresshormone aus, die uns befähigen, uns auf die Suche nach Nahrung zu machen. Natürlich macht das wach! Aber es ist absoluter Stress für unseren Körper, jeden Tag immer wieder in den Überlebensmodus zu kommen.
Unser Körper ist nicht dafür gemacht, dauerhaft in Mangel zu leben.
Die einzige Fastenzeit, die wirklich sinnvoll ist, ist die nächtliche Essenspause. Während du schläfst, läuft die Verdauung ohnehin auf Sparflamme. Hier finden natürliche Regenerationsprozesse statt, darunter auch zelluläre Reinigungsmechanismen wie die Autophagie.
Dafür brauchst du kein Tracking, keine App, keine Alarmuhr, die dir um 11:58 Uhr sagt: Gleich darfst du.
Diese Vorstellung, dass man den Körper durch Kontrolle gesund machen muss, basiert auf einem Denkfehler:
Dein Körper ist nicht gegen dich. Er braucht Versorgung, nicht Management.

Für wen Intervallfasten problematisch ist
In der Praxis berichten viele Menschen – besonders Frauen und Menschen mit mehr Östrogen als Testosteron ab 40 – von negativen Erfahrungen mit Intervallfasten. Zum Beispiel:
- Heißhunger und Binge Eating am Abend nach einem Tag voller Verzicht
- Energietiefs und Konzentrationsprobleme am Vormittag
- Zyklusstörungen bei längerem Fasten
- Schlafprobleme, wenn abends zu wenig gegessen wurde
- Magenbeschwerden wie Sodbrennen oder Reizdarmsymptome
Warum? Weil unser Körper in bestimmten Lebensphasen, unter Stress oder mit chronischen Symptomen nicht nach Leistung, sondern nach Stabilität verlangt.
Und weil Ernährung nicht unabhängig vom Nervensystem funktioniert. Ein Körper unter Dauerstress empfindet Fasten nicht als Wellness, sondern als Bedrohung.
Was sagt die Wissenschaft zu Intervallfasten?
Natürlich gibt es Studien, die dem Fasten positive Effekte zuschreiben, aber diese beziehen sich meist auf:
- Mäusestudien
- Kurzzeitstudien mit wenigen Teilnehmenden
- oder auf sehr spezifische Bedingungen wie Adipositas und metabolisches Syndrom
Was Langzeitstudien zeigen:
- In einer randomisierten Studie aus dem Jahr 2020 (Weiss et al.) schnitten Menschen mit Intervallfasten nicht besser ab als solche mit regelmäßiger Ernährung, weder beim Gewichtsverlust noch bei Blutwerten.
- Eine Studie von Lowe et al. (2020) zeigte sogar, dass bei Intervallfastenden Muskelmasse abgebaut wurde, was gesundheitlich eher problematisch ist.
- Frauen und menstruierende Menschen in der Perimenopause oder Menopause reagieren auf zu lange Fastenintervalle oft mit hormonellen Verschiebungen, Schlafstörungen oder Zyklusveränderungen.
- Und: Essstörungen oder gestörtes Essverhalten werden durch Fasten oft verstärkt und nicht verhindert.
Kurz:
Fasten ist kein Allheilmittel. Es kann funktionieren, aber oft zu einem Preis, den niemand zahlen sollte.
Wann kann Fasten medizinisch sinnvoll sein?
Es gibt Fälle, in denen Fasten therapeutisch eingesetzt wird und das immer unter ärztlicher Aufsicht. Zum Beispiel:
- bei rheumatischen Erkrankungen
- beim metabolischen Syndrom
- in speziellen Kurkontexten zur temporären Entlastung
Hier geht es aber nicht um 16:8 als Lifestyle oder Abnehmtrick, sondern um gezielte Interventionen, mit Aufklärung, Begleitung und Rückführung in eine nährstoffreiche Ernährung.
Es ist ein Unterschied, ob jemand in einer Fastenklinik therapeutisch begleitet wird oder ob du allein zu Hause sitzt und versuchst, dich mit Pfefferminztee über den Vormittag zu retten.
Die Schattenseite des Fastens: Kontrolle statt Körpergefühl
Intervallfasten klingt harmlos. Aber es befeuert etwas, das viel tiefer sitzt:
Die Idee, dass du dich verbessern musst, indem du dich weniger spürst.
Der Hunger wird unterdrückt, die Signale ignoriert, das Bedürfnis ersetzt durch eine Uhrzeit.
Du „schaffst es“, bis 12 nichts zu essen – und wirst dafür sogar gelobt.
Aber was ist, wenn „schaffen“ eigentlich heißt: ignorieren, durchhalten, sich entfernen vom Körper? Was ist, wenn du deinen Rhythmus verlierst und damit auch das Vertrauen in deinen eigenen Bauch?
Was dein Körper wirklich braucht
Über die Jahre verändert sich unser Stoffwechsel und unser Hormonhaushalt, wenn auch nur marginal. Unsere Ernährung sollte sich anpassen.
Gerade Menschen ab 40 profitieren von:
- regelmäßigen Mahlzeiten, um Blutzuckerschwankungen zu vermeiden
- einer nährstoffreichen Versorgung mit Fokus auf Eiweiß, gesunde Fette und Ballaststoffe
- dem Abbau von Stress, nicht dem Aufbau von noch mehr Regeln
- einer sanften Morgenroutine, die den Tag stabil beginnen lässt
Wenn dein Tag mit Kaffee und Leere startet, kann dein Nervensystem schwer in Balance kommen. Wenn dein Körper hungert, aber du sagst: „Noch nicht“, entsteht ein innerer Konflikt, der nichts mit Gesundheit zu tun hat.
Fazit: Fasten ist kein Feind, aber auch kein Freund für alle
Intervallfasten kann ein Werkzeug sein. Aber eben das: ein Werkzeug und kein Dogma.
Wenn du spürst, dass dir Fasten hilft, dich stabilisiert, deinen Alltag erleichtert – wunderbar.
Aber wenn du merkst, dass du gereizt, müde oder überfordert bist, dass dein Zyklus ausbleibt oder du dich immer weniger mit deinem Körper verbunden fühlst, dann darfst du aufhören.
Ohne Schuld. Ohne Scheitern.
Denn: Dein Körper ist nicht falsch. Vielleicht war nur der Plan falsch.
Was du stattdessen tun kannst
- Frühstücke, wenn du hungrig bist. Nicht, weil es 7 Uhr ist, sondern weil dein Körper dich ruft.
- Achte auf nährstoffreiche Mahlzeiten, nicht nur auf Pausen dazwischen.
- Bewege dich, wenn du Energie hast, nicht als Ausgleich fürs Essen.
- Hör auf deinen Körper, nicht auf einen Podcast, der dir 18:6 empfiehlt (außer es ist dieser hier – da darfst du zuhören 😉).
Wenn du raus willst aus dem Fasten-Perfektionismus und rein in eine Ernährung, die wirklich zu dir passt, trag dich in meinen Newsletter ein oder starte mit mir deinen individuellen Weg.