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Was der Verzicht von Gluten auslösen kann

Kaum etwas hat einen so großen Trend erfahren wie Gluten. Doch ist Gluten wirklich ungesund? Immerhin heißt es, dass Gluten dick, krank und sogar dumm machen soll. Die Unsicherheit ist bei vielen Menschen groß und so hat der Konsum von vor allem Weizen in den letzten Jahren stark abgenommen. Denn Gluten steht im Mittelpunkt vieler Diäten: so soll der Verzicht auf Gluten Entzündungen im Körper reduzieren, Hashimoto verhindern, Fett schmelzen lassen und allgemein der Gesundheit dienen.

Doch was ist dran und könnte es sogar sein, dass der Verzicht von Gluten sogar gesundheitsschädlich ist?

Ich habe 9 Studien für dich ausgewertet, um dir die Unsicherheit zu nehmen: ist Gluten ungesund?

Was ist Gluten?

Mittlerweile hat es jeder schon einmal gehört: Gluten ist in Getreide. Und auch im Supermarkt finden wir immer mehr glutenfreie Produkte. Statistiken gehen davon aus, dass sich das Angebot von glutenfreien Lebensmittel bis 2032 verdoppelt haben wird.

Was Menschen mit Zöliakie freut, verunsichert viele Konsument:innen. Sollten wir alle auf glutenfreies Brot, Pizza, Nudeln und Kekse zurückgreifen? Sind sie besser als die Kekse mit Gluten?

ist Weizen ungesund
Photo by Jonathan Petersson on Pexels.com

Wozu ist Gluten überhaupt gut?

So wie eigentlich alle unsere Lebensmittel besteht auch Getreide aus den drei Makronährstoffen Kohlenhydrate, Eiweiß (Protein) und Fett. Ein Weizenkorn besteht im Durchschnitt aus 11% Eiweiß, 60% Kohlenhydrate und 2% Fett. Der Rest sind Ballaststoffe und Wasser. Je nach Getreideart unterscheiden sich die Anteile. Einen Mythos möchte ich hier direkt auflösen: nein, die früheren Getreidesorten hatten nicht weniger Gluten. Der Gehalt an Gluten ist über die Jahre konstant geblieben und schwankt aufgrund der Niederschlagsmenge von Jahr zu Jahr.

Gluten verleiht Brot, Pizza und Kuchen seine elastische Form. Und wir Deutschen lieben Brot einfach. Wenn es dir da wie mir geht, freust du dich nach Urlauben auch wieder auf das kräftige, kernige Brot von zuhause!

Doch Gluten hat es auf die Liste der Staatsfeinde Nummer Eins geschafft.
Kohlenhydrate, Fette, verarbeitete Lebensmittel, Zucker, Glucose, Fructose… all diese Dinge teilen sich eine Gemeinsamkeit: sie wurden von jemandem als “DIE URSACHE” von allen Übel ernannt.

Ich habe die größten Mythen… eh… Urteile über Gluten für dich rausgesucht und schaue sie mir mit dir im Detail an. So kannst du für dich entscheiden, ob du künftig das Geld lieber sparst oder es für dich sinnig ist, zu den glutenfreien Alternativen zu greifen.

Gluten und Hashimoto

In diesem Fall kann ich mich kurz fassen: es konnte bisher kein kausaler Zusammenhang zwischen Gluten und Hashimoto gefunden werden. Was allerdings Sinn ergibt ist, dass dennoch bei Hashimoto eine Zöliakie durch eine Fachärztin oder einen Facharzt (nicht durch einen Test aus dem Internet oder einem Heilpraktiker) ausgeschlossen wird. Denn der Darm spielt bei Themen mit der Schilddrüse dennoch eine zentrale Rolle.

Glutenfrei endlich Fett verlieren?

Die meisten Menschen interessiert vor allem, ob sich durch den Verzicht von Gluten hartnäckiges Bauchfett reduzieren lässt. Und viele Anekdoten berichten davon: nachdem sich Person XY glutenfrei ernährt hat, sind endlich die Pfunde geschmolzen.
Nur dass die Studien genau das Gegenteil herausgefunden haben: eine glutenfreie Ernährung sorgt dafür, dass Menschen mehr Körperfett angesetzt haben!

Der Grund dafür ist häufig, dass glutenfreie Produkte viel zugesetzten Zucker haben, wenig Ballaststoffe und eine geringere Nährstoffdichte besitzen. Dadurch hatten die Proband:innen schneller wieder Hunger und griffen generell zu ungünstigen Lebensmitteln.

Und ja, sogar Brot gehört in eine Diät! Das Team um Karrie Pol wertete über 2000 Artikel aus und kam zu dem Schluss: Vollkornbrot hat einen leichten Effekt auf die Körperkomposition. Das bedeutet, dass Menschen, die ballaststoffreich aßen, weniger Körperfett besaßen.

Brot in einer Diät

Diabetes und Gluten

Okay, also Gluten macht nicht dick. Aber was ist mit Diabetes? Sollten wir auf Gluten verzichten, um unser Risiko, an Diabetes zu erkranken, zu verringern?

Die Forscherin Eva Qing Ye und ihr Team fanden in ihrer Meta-Analyse etwas spannendes heraus: glutenreiche Lebensmittel wie Vollkornprodukte senken das Risiko, an Diabetes zu erkranken!

Nein, das bedeutet nicht, dass Gluten das macht. Wie oft in der Ernährung geht es selten um einzelne Elemente, sondern darum, dass wir, wenn wir Lebensmittel wegen einem Bestandteil weglassen, eben auch viele gute Nährstoffe und Ballaststoffe weglassen

Kommen wir nun zu einem meiner Lieblingsthemen: Entzündungen und der Darm.

Entzündungen reduzieren mit glutenfreier Ernährung?

Es gibt ganze Bücher darüber und vor allem in der sogenannten alternativen Medizin heißt es, dass eine glutenreiche Ernährung Entzündungen fördert.
Nun, auch auf die Gefahr hin, mich damit unbeliebt zu machen: es ist eine Frechheit und grenzt für mich an ein Verbrechen, dass sogenannte “Heiler:innen” Ausschnitte aus Studien nehmen und zu allgemeinen Aussagen machen.
Zöliakie ist eine entzündliche Erkrankung. Keine Unverträglichkeit und keine Allergie. Die Aufnahme von Gluten verursacht entzündliche Prozesse im Dünndarm.
So, und daraus machen dann andere “Gluten sorgt für Entzündungen!”
Sag mal, hackt es?!

Ja, so wie Staub zu Schnupfen führt… bei Allergiker:innen. 

Tatsächlich fanden Studien im Bezug zu Entzündungen genau das Gegenteil heraus. Eine glutenhaltige Ernährung (sprich: Vollkorn, abwechslungsreiche Getreideauswahl) sorgte für bessere Entzündungswerte bei übergewichtigen Kindern und viel wichtiger: eine abwechslungsreiche Ernährung, die eben auch Vollkorn und Getreide enthält, sorgt für ein gesundes Darmbiom. Und das ist ausschlaggebend, wenn wir Entzündungen reduzieren wollen.
So führte laut einer Studie die glutenfreie Ernährung zu einer Verringerung der guten Darmbakterien von bis zu 70%!

“Aber Judith, ICH habe wirklich Probleme, wenn ich Gluten esse”, höre ich dich jetzt sagen. Und ich glaube dir!
Dennoch möchte ich eine Studie zitieren, die Glutensensitivität nochmal in ein neues Licht rückt.

Glutenunverträglichkeit: bist du betroffen?

Wie bereits oben geschrieben: die Diagnose von Zöliakie gehört in fachliche Hände. Die Chance, dass du betroffen bist, liegt bei 05-1%. Also ist deine Chance, NICHT betroffen zu sein, ca. 99%. (was nicht heißt, dass du es nicht hast!)

Viel wahrscheinlicher ist das Ergebnis der Studie von Annalisa Capannolo et al.

Sie untersuchte den Nocebo Effekt im Bezug auf Gluten. Der Nocebo Effekt bedeutet, dass wir Symptome spüren, weil wir davon ausgehen, sie zu spüren. Es ist also eine negative Reaktion unseres Systems auf etwas, das wir als schädlich einstufen, es aber nicht ist.

Sie fand heraus, dass über 86% der Teilnehmer:innen der Studie auf Gluten reagierten, obwohl sie gar kein Gluten erhielten, es aber dachten.

Das Fazit:

Gluten ist Bestandteil vieler wichtiger gesunder Lebensmittel. Laut der aktuellen Studienlage macht es nur für Menschen mit einer nachgewiesenen Diagnose Sinn, auf diese Lebensmittel zu verzichten. Alle anderen profitieren von glutenhaltigen Lebensmitteln.

Wenn du eine wissenschaftlich fundierte, nervensystemfreundliche Ernährungsberatung suchst, dann melde dich bei mir! Denn nein: ich denke nicht, dass du dir “Unverträglichkeiten einbildest”, sondern dass du von einer Ernährungsberatung ohne Mythen profitieren kannst.

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