Die basische Ernährung erlebt einen regelrechten Hype. Ob in Magazinen, auf Social-Media-Plattformen oder in der Werbung – überall werden die vermeintlichen Vorteile des basischen Essens angepriesen. Übersäuerung wird als Ursache für eine Vielzahl von Beschwerden genannt, von Müdigkeit über Hautprobleme bis hin zu schweren Krankheiten. Der Schlüssel zur Lösung? Natürlich: basisch essen.
Doch wie viel Wahrheit steckt hinter diesen Behauptungen? Kann die Ernährung wirklich den Säure-Basen-Haushalt des Körpers nachhaltig beeinflussen? Oder handelt es sich um einen Mythos, der geschickt vermarktet wird?
In diesem Artikel werfen wir einen Blick hinter die Kulissen dieses Trends. Ich erkläre dir, wie der Säure-Basen-Haushalt tatsächlich funktioniert, warum unser Körper ein echtes Wunderwerk in Sachen Balance ist und weshalb Ernährung dabei eine viel kleinere Rolle spielt, als oft behauptet wird. Zudem stelle ich dir fünf wissenschaftliche Studien vor, die zeigen, dass basische Ernährung keine messbaren gesundheitlichen Vorteile bringt.
Basisch essen: So funktioniert die Theorie hinter dem Trend
Die basische Ernährung basiert auf der Annahme, dass bestimmte Lebensmittel im Körper basisch wirken und somit helfen, den Säure-Basen-Haushalt zu regulieren. Zu den als basisch geltenden Lebensmitteln zählen vor allem Obst, Gemüse, Salate, Kräuter und einige Nüsse. Säurebildende Lebensmittel hingegen sind Fleisch, Fisch, Eier, Milchprodukte, Getreideprodukte und Zucker. Das Ziel dieser Ernährungsweise ist es, überwiegend basische Lebensmittel zu konsumieren und säurebildende zu reduzieren, um einer angeblichen Übersäuerung des Körpers entgegenzuwirken.
Die Theorie hinter der basischen Ernährung besagt, dass der Verzehr von säurebildenden Lebensmitteln den pH-Wert des Blutes senkt und somit zu gesundheitlichen Problemen führen kann. Durch eine basenreiche Ernährung soll dieser Effekt neutralisiert und das Wohlbefinden gesteigert werden.

Basische Ernährung vs. Körperbalance: Wer steuert wirklich den pH-Wert?
Unser Körper verfügt über ein komplexes System zur Regulierung des Säure-Basen-Haushalts. Der pH-Wert des Blutes liegt normalerweise zwischen 7,35 und 7,45 und ist damit leicht basisch. Um diesen Wert konstant zu halten, nutzt der Körper verschiedene Puffersysteme, die überschüssige Säuren oder Basen neutralisieren.
Die Hauptakteure in diesem Regulationsprozess sind die Nieren und die Lungen. Die Lungen entfernen überschüssige Kohlensäure durch das Ausatmen von Kohlendioxid, während die Nieren überschüssige Säuren über den Urin ausscheiden. Zusätzlich sorgen Puffersubstanzen im Blut, wie Bikarbonat, für die Neutralisierung von Säuren.
Dieses System ist so effektiv, dass selbst größere Schwankungen in der Säurezufuhr durch die Ernährung den pH-Wert des Blutes kaum beeinflussen. Bei gesunden Menschen bleibt der Säure-Basen-Haushalt auch bei unterschiedlicher Ernährungsweise stabil.
Kann basische Ernährung den Säure-Basen-Haushalt wirklich beeinflussen?
Es ist unbestritten, dass bestimmte Lebensmittel nach ihrem Verzehr saure oder basische Stoffwechselprodukte hinterlassen. Allerdings bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass sie den pH-Wert des Blutes beeinflussen. Der Körper kompensiert Schwankungen in der Säurezufuhr durch die genannten Puffersysteme effektiv.
Studien haben gezeigt, dass die Ernährung den pH-Wert des Urins beeinflussen kann, jedoch nicht den des Blutes. Ein saurer Urin ist daher kein Indikator für eine Übersäuerung des Körpers, sondern vielmehr ein Zeichen dafür, dass die Nieren ihre Aufgabe erfüllen und überschüssige Säuren ausscheiden. Unser Körper ist ein Wunderwerk, was die Regulation angeht!
Die Annahme, dass eine säurebildende Ernährung zu einer chronischen Übersäuerung des Körpers führt, die verschiedene Krankheiten begünstigt, ist wissenschaftlich nicht belegt. Der menschliche Organismus ist bestens darauf vorbereitet, mit unterschiedlichen Ernährungsweisen umzugehen, ohne dass der Säure-Basen-Haushalt aus dem Gleichgewicht gerät.

Basische Ernährung wissenschaftlich geprüft: 5 Studien im Faktencheck
Viele Anhänger der basischen Ernährung behaupten, dass ein zu hoher Säureanteil in der Nahrung den Körper „übersäuert“ und langfristig krank macht. Doch die Wissenschaft zeigt ein anderes Bild. Zahlreiche Studien haben sich mit der Frage beschäftigt, ob basisch essen tatsächlich den Säure-Basen-Haushalt beeinflussen kann – und die Ergebnisse sind eindeutig: Die Ernährung hat kaum einen messbaren Effekt auf den pH-Wert des Körpers.
1. Der Körper reguliert den pH-Wert selbst
Eine umfassende Untersuchung im Journal of the American Society of Nephrology (2009) zeigt, dass der menschliche Körper über leistungsstarke Puffersysteme verfügt, die den Blut-pH-Wert konstant zwischen 7,35 und 7,45 halten. Eine kurzfristig säurereiche oder basenreiche Ernährung führt nicht zu einer dauerhaften Veränderung dieses Wertes, da die Nieren und die Lunge überschüssige Säuren oder Basen effizient ausgleichen.
2. Kein Zusammenhang zwischen Übersäuerung und Osteoporose
Eine oft zitierte Behauptung ist, dass eine „säurelastige“ Ernährung Kalzium aus den Knochen zieht und Osteoporose fördert. Eine große Meta-Analyse in Osteoporosis International (2011) widerlegt diese Annahme. Die Forscher fanden keinen Zusammenhang zwischen säurebildenden Lebensmitteln und einem erhöhten Osteoporoserisiko. Der Knochenabbau wird vielmehr durch andere Faktoren wie Kalziumaufnahme, Vitamin-D-Spiegel und genetische Veranlagung beeinflusst.
3. Basische Ernährung und Krebs: Kein wissenschaftlicher Beweis
Ein besonders hartnäckiger Mythos besagt, dass Krebs in einem „sauren Milieu“ gedeiht und basische Ernährung Tumore bekämpfen kann. Eine Übersichtsarbeit in Cancer and Metabolism (2016) zeigt jedoch, dass der pH-Wert des Blutes durch die Ernährung nicht signifikant verändert werden kann und dass keine wissenschaftlichen Belege für eine krebshemmende Wirkung der basischen Ernährung existieren. Krebszellen passen sich vielmehr an verschiedene Umgebungen an und wachsen auch in neutralem oder basischem Gewebe.
4. Leistungssportler profitieren nicht von basischer Ernährung
In der Sportwelt wird manchmal behauptet, dass eine basische Ernährung die Leistungsfähigkeit steigert, indem sie die Laktatbildung im Muskel reduziert. Eine Studie in The Journal of the International Society of Sports Nutrition (2018) konnte jedoch keine signifikanten Unterschiede in der sportlichen Leistungsfähigkeit zwischen Athleten mit basischer und normaler Ernährung feststellen. Der Körper verfügt über eigene Mechanismen zur Laktatpufferung, die durch Ernährung nicht wesentlich beeinflusst werden.
Stattdessen zeigte sich, dass Menschen, die sich generell gesund ernährten und viel Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte und Nüsse aßen und stattdessen weniger Fleisch und Milchprodukte konsumierten, sich schneller regenerierten. Das lässt sich durchaus auf unseren Alltag übertragen:
Wer sich pflanzlich ernährt, kann sich schneller von Erschöpfung erholen.
5. Keine Vorteile für Nierenfunktion bei gesunden Menschen
Eine weitere Behauptung ist, dass basisches Essen die Nieren entlastet und Nierenerkrankungen vorbeugen kann. Während Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz von einer angepassten Ernährung profitieren können, zeigte eine Studie in The American Journal of Kidney Diseases (2015), dass gesunde Menschen durch eine basische Ernährung keinen Vorteil für ihre Nierenfunktion haben. Die Nieren sind bei gesunden Personen hervorragend in der Lage, Säuren und Basen auszuscheiden, ohne Schaden zu nehmen.
Das Fazit der Forschung
Die Wissenschaft ist sich einig: Die basische Ernährung hat keinen signifikanten Einfluss auf den Säure-Basen-Haushalt eines gesunden Menschen. Unser Körper ist ein hochentwickeltes System, das sich selbst reguliert – unabhängig davon, ob wir „säurebildende“ oder „basische“ Lebensmittel zu uns nehmen. Wer sich gesund ernähren möchte, sollte sich lieber auf eine ausgewogene, nährstoffreiche Ernährung konzentrieren, anstatt sich von fragwürdigen Säure-Basen-Mythen verunsichern zu lassen.