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BMI: Was er ist und warum ihn niemand mehr braucht

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<p class=Es gibt mittlerweile einige Dinge, die so überflüssig sind wie alt. Beispielsweise Telefonbücher, Wurst aus Tier und der BMI, der sogenannte Body Mass Index. Er zählte lange Zeit als der Goldstandard, um festzustellen, ob ein Körper ein gesundes Gewicht hat. Dabei bringt er einige problematische Aspekte mit. 

Es ist mittlerweile kein Geheimnis mehr, dass die meisten medizinischen Ratschläge und Erkenntnisse von Männern für Männer gemacht sind. Dazu zählt auch der Body Mass Index, kurz BMI. Er beschreibt das Verhältnis von Körpergewicht zu Körpergröße. Von Männern. Genau gesagt, von weißen Männern. Das ist zumindest der Ursprung des BMI und dennoch wird er noch heute angewandt – und setzt Menschen dem Rassismus und Sexismus in der Medizin aus. Denn Gesundheit ist weit mehr als ein Zahlenspiel.

Wie entstand der Body Mass Index? Oder: “Wer hat uns das eingebrockt?!”

Der Body Mass Index – ein Begriff, der sich in unseren Alltag eingeschlichen hat, als wäre er die Antwort auf alle Fragen rund um Gewicht und Gesundheit. Fragt man Suchmaschinen, stolpert man direkt über BMI Rechner noch und nöcher. Doch was steckt wirklich hinter dieser Zahl? Der BMI wurde 1832 von Adolphe Quetelet, einem belgischen Mathematiker und Statistiker, entwickelt. Ironischerweise war Quetelet kein Mediziner, sondern ein Wissenschaftler, der versuchte, „den normalen Menschen“ zu definieren. Ein Vorhaben, das auch heute noch, bald 200 Jahre später, alle Menschen in eine Norm pressen will.
Er wollte herausfinden, wie sich Körpergrößen und Gewicht in einer „durchschnittlichen“ Bevölkerung verteilen – und entwickelte dafür eine Formel, die das Körpergewicht durch das Quadrat der Körpergröße teilt. Dabei ging es ihm gar nicht um eine gesundheitliche Beurteilung. Man könnte es “pure Neugier” nennen.

Dazu sammelte er Daten. Leider vor allem von Männern. Weißen Männern aus Europa. Und auf Basis dieser Daten entwickelte er dann den Body Mass Index.

Doch die Idee, aus einer mathematischen Formel Rückschlüsse auf Gesundheit zu ziehen, ist heutzutage nicht nur antiquiert, sondern auch problematisch. Quetelet selbst hatte nie die Absicht, seine Berechnungen als Maßstab für individuelle Gesundheit zu verwenden. Vielmehr ging es ihm darum, allgemeine „Normen“ für Bevölkerungsgruppen zu finden – ein ambitioniertes, aber letztlich irgendwie überflüssiges Unterfangen. Denn eigentlich hätte die Aussage sein sollen: Es gibt keine Norm!

Heute jedoch wird dieser Index als „die Wahrheit“ über den Körper betrachtet. Der BMI wurde im Wesentlichen zur Messlatte für das, was als gesund gilt.
Ancel Keys, ein amerikanischer Epidemiologen, hat den BMI populär gemacht. In den 1950er Jahren begann Keys, den BMI zu verwenden, um Zusammenhänge zwischen Körpergewicht und Gesundheit zu untersuchen, insbesondere im Hinblick auf das Risiko von Herzkrankheiten. Er führte eine der ersten groß angelegten Studien durch, die den BMI als verlässlichen Indikator für das Gesundheitsrisiko in der Bevölkerung präsentierte.
Doch was diese Zahl wirklich aussagt, ist in den meisten Fällen mehr ein Ratespiel als eine zuverlässige Grundlage für Gesundheitsbewertungen.

Man könnte sagen, der BMI ist wie ein Einheits-T-Shirt: Er passt vielen, aber nicht allen. Und selbst wenn er passt, sagt er nichts darüber aus, wie sich jemand wirklich fühlt oder wie gut sein Körper mit den Herausforderungen des Alltags umgehen kann. Der BMI misst nur die Körpermasse im Verhältnis zur Größe – er berücksichtigt nicht, wie diese Masse verteilt ist oder wie viel Muskel- oder Fettanteil im Körper vorhanden ist. Doch dieser vereinfachte Wert wird von Ärzt:innen, Fitness-Coaches, Ernährungsberater:innen und sogar Versicherungsgesellschaften herangezogen, um Gesundheitsrisiken zu bewerten.
In einigen Bundesländern hängt es sogar vom BMI ab, ob eine Person den Beamten-Status erhalten darf… wow.

Und hier liegt der diskriminierende Haken: Der BMI betrachtet den Körper in einer Weise, die alles andere als individuell ist und uns auf eine Zahl reduziert.

Stellen dir mal sich vor, du gehst in dein Lieblings-Café und bestellst einen Kaffee. Wenn die Barista dir dann einfach „ein Getränk“ übergibt, ohne auf deine Präferenzen einzugehen – zu heiß, zu stark, zu wenig Zucker – dann hättest du zwar einen Kaffee, aber was genau sagt der aus? Nichts. Du hast vielleicht Koffein intus, aber mehr auch nicht.

Genau das passiert, wenn der BMI als der einzig wahre Indikator für Gesundheit betrachtet wird: Er ignoriert alles, was uns wirklich ausmacht. Es ist, als ob wir nur mit einer Zahl über unseren Körper sprechen könnten und nicht mehr mit ihm.

Warum ist der BMI rassistisch, ableistisch und sexistisch?

Der BMI wird ständig als universeller Gesundheitsindikator präsentiert – als einfache, objektive Zahl, die uns sagt, ob unser Körper „gesund“ oder „ungesund“ ist. Bist du über 24, dann bist du „zu dick“. Liegst du unter 16, dann bist du „zu dünn“. Eine kleine Anekdote am Rande: Eine Ärztin hat mal meinen BMI ausgerechnet und sagte mir mit Entsetzen: „Frau Binias! Sie haben einen BMI von 8!“ Damit wäre ich theoretisch klinisch tot. Die Ärztin hatte sich verrechnet.

Doch was diese Zahl wirklich bedeutet, hängt nicht nur von deinem Gewicht und deiner Größe ab, sondern auch von deiner Ethnie. Der BMI berücksichtigt keinerlei ethnische oder kulturelle Unterschiede in der Körperzusammensetzung, was zu einer Verzerrung führt, die Menschen aus nicht-europäischen Bevölkerungsgruppen diskriminiert. So konnten Studien beweisen, dass Afroamerikaner:innen eine andere Körperfettverteilung haben als Kaukasier:innen. (Wenn du mehr zu Körperfett lernen möchtest, lausche in DIESE Podcast Folge). Sie wurden, dank des Body Mass Index, als fettleibig eingestuft.

Das Problem daran? Viele Ärzt:innen und Fitnesstrainer:innen predigen den Ratschlag, einfach abzunehmen. Sie machen sich oft nicht die Mühe, genauer hinzuschauen. Vorurteile und Klischees prägen das Denken und machen es Menschen mit einem BMI über „der Norm“ schwer, gehört und gesehen zu werden.

Warum passiert das?

Der BMI wurde auf der Grundlage von Daten entwickelt, die vor allem von europäischen, weißen Männern stammen. Diese Bevölkerungsgruppe galt damals als „normativ“, und der BMI wurde anhand dieser Daten als Maßstab für alle Menschen etabliert. Doch was ist, wenn du nicht der „durchschnittliche weiße Europäer“ bist? Wenn du aus Afrika, Asien oder Südamerika kommst? Oder wenn du eine andere ethnische Zugehörigkeit hast?

Oder: Wenn du, einfach so, einen anderen Körper hast, als „die Norm“? Nehmen wir mal Athlet:innen. Oder behinderte Menschen. Chronisch kranke Menschen. Mir fallen ad hoc jede Menge Menschen ein, die nicht in das Raster der Norm fallen und deswegen einen verzerrten BMI haben.

Na ja, plus: wenn du kein Cis Mann bist. Denn die Daten basieren auf eben diesen weißen, europäischen Cis Männern. 

Die Folgen dieser Verzerrung:

Diese diskriminierende Dimension des BMI hat weitreichende Folgen. Sie beeinflusst nicht nur, wie Menschen sich selbst sehen, sondern auch, wie sie von medizinischen Fachkräften und gesellschaftlichen Normen wahrgenommen werden. Wenn der BMI als Maßstab für Gesundheit gilt, wird nicht nur die Vielfalt menschlicher Körper ignoriert, sondern auch kulturelle und soziale Unterschiede, die für die Gesundheit und das Wohlbefinden von Menschen entscheidend sind.

Alternative zum BMI
Photo by Nataliya Vaitkevich

Bessere Alternativen zum BMI

Es gibt eine Vielzahl an Alternativen zum BMI, die viel präzisere Einblicke in die Gesundheit und Körperzusammensetzung geben, ohne den Menschen auf eine simple Zahl zu reduzieren. Ja, sie dauern länger und ja, man muss dann fettfeindliche Denkkonzepte hinterfragen, aber das lohnt sich!
Diese Methoden berücksichtigen nicht nur das Gewicht, sondern auch die Fettverteilung, die Art des Körperfetts, die Muskelmasse und die individuellen Unterschiede, die den Körperbau prägen.

Hier einige Beispiele:

  1. Körperfettanteil messen (Body Fat Percentage)
    Der Körperfettanteil ist eine der genauesten Methoden, um zu bestimmen, wie viel von deinem Körper aus Fett besteht. Diese Messung berücksichtigt die Tatsache, dass Muskelmasse schwerer als Fett ist, weshalb jemand mit viel Muskelmasse möglicherweise einen höheren BMI hat, aber trotzdem fit und gesund ist. Aber Achtung: bitte verwende dazu nicht die Waage zuhause. Sie ist furchtbar ungenau.
  2. Waist-to-Hip Ratio (Taillen-Hüft-Verhältnis)
    Das Waist-to-Hip Ratio misst das Verhältnis von Taille zu Hüfte und gibt einen Hinweis darauf, wie sich das Fettgewebe im Körper verteilt. Studien haben gezeigt, dass die Fettverteilung eine größere Rolle bei der Vorhersage von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes spielt als der BMI. Menschen, die Fett eher um die Taille als an den Hüften ansammeln (Apfel- statt Birnenform), haben ein höheres Risiko für diese Erkrankungen.
    Aber auch hier Achtung: Menschen, die beispielsweise Crossfit machen, haben oftmals eine ausgeprägte Taille, denn sie trainieren ihre gesamte Rumpfmuskulatur! Es kann auch simple Genetik sein, warum das Verhältnis von Hüfte zur Taille laut Zahlen nicht vorteilhaft ausfällt.
  3. Viszerales Fett messen
    Viszerales Fett, also Fett, das sich um die inneren Organe herum ansammelt, ist gefährlich, da es mit einer Vielzahl von Herzkrankheiten, Diabetes und sogar Krebserkrankungen in Verbindung steht.
    Viszerales Fett lässt sich oft mit moderner Bildgebung wie CT-Scans oder MRI-Scans messen und zeigt eine genauere Gefahr für die Gesundheit.

Aber meine zwei persönlichen Favoriten, wenn es um die Gesundheit und Fitness eines Menschen geht, sind diese Messungen:

Kondition und Fitness
Der BMI berücksichtigt keinerlei körperliche Fitness oder Ausdauer. Jemand mit einem hohen BMI kann trotzdem fit und gesund sein – der BMI sagt nichts darüber aus, wie beweglich jemand ist oder wie gut dieser Mensch körperliche Belastung wegsteckt. Ebenfalls sagt der BMI nichts darüber aus, wie viel Kraft ein Mensch hat. Auch die Koordination findet keinerlei Aufmerksamkeit beim BMI. Doch sind es eben diese Aspekte, die Menschen mit Parkinson und anderen vegetativen Erkrankungen interssiert!
Methoden wie der Vo2max-Test (maximale Sauerstoffaufnahme) oder einfach das Ausdauervermögen bei sportlichen Aktivitäten geben viel genauere Informationen über die Kondition einer Person.
Aber auch hier Achtung: “Gesund” und “fit” ist ein Spektrum. Menschen mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen können auch hier nur allzu leicht diskriminiert werden.

Blutwerte und Gesundheitsmarker
Anstatt sich nur auf eine Zahl zu konzentrieren, können Blutuntersuchungen und medizinische Gesundheitsmarker wie ein EKG viel mehr darüber aussagen, wie es um die Herzgesundheit, Blutdruck, Cholesterinwerte oder Blutzucker steht. Diese Marker sind oft weitaus aufschlussreicher für das Risiko von Erkrankungen als der BMI, der keine Informationen über den inneren Gesundheitszustand liefert.

Warum sind diese Alternativen besser?

Was diese Methoden auszeichnet, ist, dass sie den Körper und Menschen in seiner gesamten Komplexität betrachten. Sie nehmen die Vielfalt menschlicher Körper ernst und schließen Menschen nicht aufgrund von Klischees und Vereinfachungen aus. 
Man sollte nie, wirklich nie, einfach nur eine Methode verwenden, wenn es um die Gesundheit des Menschen geht.

Mehr Gewicht, mehr Probleme? Schluss mit diesem Zahlenfetisch

Long Story Short: Gesundheit ist kein Einheitsmaß. Der BMI mag als schnelle Messlatte für „Übergewicht“ oder „Normalgewicht“ durch die Welt geistern, aber er erfasst weder deine Fitness noch deine Lebensqualität. Und gehört deswegen in die Tonne.
Mehr Gewicht bedeutet nicht automatisch, dass du krank bist – genauso wenig wie ein „normaler BMI“ bedeutet, dass du gesund bist. Letztlich ist es der Lebensstil, der zählt: wie du dich bewegst, was du isst und wie du dein Leben gestaltest.

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